„Durch nichts können wir Geschichte besser lernen, als durch Zeitzeugen, die ihre Erfahrungen und historisches Wissen an die nächsten Generationen weitergeben“ (Fr. Dr. Büllesbach, Schulleiterin Gesamtschule Saarn).
Mit diesen Worten eröffnete die Schulleiterin Fr. Dr. Büllesbach das Zeitzeugengespräch an der Gesamtschule Saarn, welche die Mülheimer Zeitzeugin Frau Rita Walter zu einem für alle Seiten sehr interessanten zweistündigen Gespräch begrüßte.Die SuS des Geschichtszusatzkurses und des Pädagogikleistungskurses der 13. Klasse (Q2) der Gesamtschule Saarn durften der Zeitzeugin Rita Walter, 1933 in Görlitz (nahe der polnischen Grenze) geboren, zum Teil aus dem Unterricht vorbereitete Fragen sowie auch spontane Fragen zu den Themenbereichen „Nationalsozialismus – 2. Weltkrieg“ und „Leben in der DDR“ stellen.
Frau Walter eröffnete den SuS ein umfangreiches Bild, da sie aufgrund ihrer Biografie sogar gleich für mehrere besondere historische Ereignisse als Zeitzeugin fungieren konnte. Besonders interessant war diesbezüglich der Vergleich ihrer persönlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen zwischen der „Jugend im Nationalsozialismus“, in der sie beispielsweise von eindrucksvollen Geschichten aus der Zeit bei der Hitlerjugend als Mitglied der „Jungmädel“ berichtete oder aber im Kontext des Erwachsenwerdens ihre Erfahrungen als „linientreue“ junge Erwachsene in der DDR kundgab.
Rita Walter wurde 1933 in Görlitz geboren und zog mit ihren Eltern sowie ihrer Schwester im Alter von sechs Jahren (1939) nach Breslau (heutiges Polen), was damals ins Deutsche Reich einverleibt wurde. Dort wuchs Rita W. auf und wurde ebenfalls Mitglied der NS-Jugendorganisation „Jungmädel“. Von ihren Erlebnissen als Kind bzw. Schülerin konnte sie anschauliche Erfahrungen wie den morgendlichen „Fahnenappell auf dem Schulhof oder die ritualisierte Begrüßung des Lehrers durch den Hitlergruß“ erzählen. Andererseits prägten aber auch die Flucht vor den alliierten Bombern beim Fliegeralarm, die Entbehrungen und Verluste während der Flucht vor der „Roten Armee“ gen Görlitz im Jahr 1944/45 ihr Leben. Frau W. berichtete besonders eindrücklich von den Bildern, die sie vom zerbombten Dresden 1945 machen musste, hungernd zwischen den Trümmern, oder das Verhalten der sowjetischen Besatzungssoldaten ihrer Familie gegenüber in der Nachkriegszeit. Um nicht wieder in einem Unterdrückungs- und Überwachungsstaat wie der NS- Diktatur oder der DDR zu leben, entschloss sie sich, in der Nachkriegszeit ihrem Verlobten in den Westen nach Mülheim an der Ruhr zu folgen. Dort lebt sie bis heute mit ihrem Mann, mit dem sie seit über 68 Jahren verheiratet ist. Ihre Erfahrungen aus ihrem spannenden langen Leben teilt sie gerne, um an Erfahrungen aus der NS- Zeit zu erinnern, „[…] damit die zahlreichen Menschen, die ihr Leben durch das NS-Regime verloren, nicht vergessen werden und sich der Nationalsozialismus bzw. Antisemitismus sowie jede Form des Rassismus nicht wiederholt“ (Rita Walter).
Besonders im Fokus stand an diesem Tag jedoch der Aspekt „Leben im Nationalsozialismus“, da dies thematisch in beiden Oberstufenkursen in den Unterrichtsreihen einerseits aus pädagogischer Sicht (Jugend im Nationalsozialismus) sowie historischer Perspektive (Entstehung und Ideologie des Nationalsozialismus, Ausgrenzung, Entrechtung und Ermordung der europäischen Juden, Leben im Nationalsozialismus) behandelt wurde.
Frau Rita Walter war eine tolle Zeitzeugin, da sie sehr präzise mit einem bewundernswerten Langzeitgedächtnis sehr detaillierte Erfahrungen mit den SuS teilen sowie sehr schnell und umfangreich auf weiterführende Fragen antworten konnte. Sie schilderte ihre Erlebnisse in einer sehr gefassten und trotzdem sehr mitreißenden Art, sodass die SuS an ihren Lippen klebten und bei einigen Erfahrungen emotional sehr stark berührt wurden. Frau Walter schaffte es mit ihrer wertschätzenden und trotz ihrer teils traumatischen Erfahrungen aus dem 2. Weltkrieg und der Hitlerjugend, fröhlichen und positiven Ausstrahlung und Persönlichkeit, die SuS für Geschichte zu begeistern. Dies wurde durch zahlreiche und nicht endende Fragen nach einem zweistündigen Gespräch von Seiten der SuS als auch weiterer KollegInnen deutlich.
Abschließend gab sie allen Anwesenden einen besonderen Rat mit auf den Weg. Sie sagte: „dass wir es als Gemeinschaft nie wieder zulassen dürfen, dass Menschen wie in der NS- Zeit diskriminiert und verfolgt werden und ihr Wissen gerne an nachfolgende Generationen weitergegeben werden soll, was sie selbst irgendwann nicht mehr kann“ (Rita Walter).
Nichts könnte rückblickend auf das Zeitzeugengespräch besser passen als die Worte unserer Schulleiterin Fr. Dr. Büllesbach „Durch nichts können wir Geschichte besser lernen, als durch Zeitzeugen, die ihre Erfahrungen und historisches Wissen an die nächsten Generationen weitergeben“ (Fr. Dr. Büllesbach).